Was ist Gestalttherapie?

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Die Gestalttherapie zählt zu den wichtigsten und einflussreichsten Therapieverfahren der humanistischen Psychologie. Sie wurde in den sechziger Jahren von Fritz und Lore Pearls und Paul Goodman entwickelt und findet Einsatz in Einzel-, Gruppen-, Paar- und Familientherapie.
Derzeit gewinnt die Gestalttherapie sogar noch an Bedeutung, da die für sie so charakteristischen Begriffe wie Achtsamkeit und Akzeptanz die moderne Psychotherapie enorm beeinflussen. Beide Begriffe, die ursprünglich aus der Meditation stammen, sind die Grundlagen in der gestalttherapeutischen Arbeit.

Die Gestalttherapie richtet sich darauf, inneres Wachstum zu fördern und die eigene Persönlichkeit zu entfalten. Durch die Befreiung von bremsenden oder blockierenden Verhaltensmustern kann der Klient aus eigener Kraft Probleme lösen, neue Verhaltensweisen werden ermöglicht und Potentiale aktiviert.

Diese innere Befreiung macht aus meiner Erfahrung eine wesentliche Kraft der Gestalttherapie aus.

Hierzu versuchen wir in den Sitzungen, alte Konditionierungen oder sogenannte „Einflüsterungen“ der Vergangenheit („du kannst nicht, du sollst, du musst, du bist …“) zu erkennen und aufzubrechen. Ziel der Gestalttherapie ist es, sich mehr und mehr von den alten bremsenden Konditionierungen zu befreien und die „Einflüsterungen“ anderer loszuwerden, sich selber und die eigenen Bedürfnisse zu spüren, sowie authentisch zu sein und die eigene Persönlichkeit und deren Möglichkeiten zu entfalten.

Die Gestalttherapie versteht sich sowohl als therapeutisches Verfahren, mit dem aktuelle Probleme, Störungen und Konflikte bearbeitet werden, als auch als Weg zur Persönlichkeitsentwicklung. Sie möchte mehr „Lebendigkeit“ und Freude ins Leben bringen und den Klienten seine verborgenen Fähigkeiten und Stärken entdecken lassen. Die Gestalttherapie ist somit auch ein Angebot für Menschen, die einfach nur den Wunsch nach Veränderung, Entwicklung und Neubeginn haben. Hierin unterscheidet sie sich von anderen Therapiekonzepten.

Durch die Befreiung von Blockaden und von alten Einflüsterungen und Einschränkungen will die Gestalttherapie den Neubeginn ermöglichen, das Lebensskript veränderbar werden lassen. Hierdurch kann sich die Lebensfreude wieder entfalten. Natürlich zählt auch die Lösung aktueller Probleme zu den Anliegen der Gestalttherapie.
Dabei legt die Gestalttherapie großen Wert auf authentisches Wachstum: es geht nicht darum, so zu werden, wie man sein sollte, sondern darum, die bereits vorhandenen aber verborgenen Stärken der eigenen Persönlichkeit zu entfalten.

Im Mittelpunkt der Gestalttherapie steht nicht das „Stöbern“ in der Vergangenheit und die Frage, wann und wodurch ein Problem oder eine Störung entstanden ist. Der Schwerpunkt liegt vielmehr im Auffinden von blockierenden Mustern und von helfenden persönlichen Ressourcen in der Gegenwart.

Allerdings ist der Blick zurück in die Vergangenheit und in die Kindheit manchmal hilfreich, um unser jetziges Verhalten zu verstehen. „Unerledigte“ Situationen von früher, die uns heute immer wieder begegnen und unser Handeln unbewusst bestimmen, werden in der Therapie aktiviert, steigen an die Oberfläche und werden dem Bewusstsein wieder zugänglich. Durch das Abschließen dieser alten Themen, die im Heute immer wieder störend einwirken, entstehen neue authentische Handlungsmöglichkeiten.

Bei der Bearbeitung von störenden Verhaltensweisen und Eigenschaften, geht es in der Gestalttherapie nicht darum, das Problemverhalten oder die störende Eigenschaft des Klienten beseitigen zu wollen. Vielmehr wird das Muster erkannt und nach Möglichkeiten gesucht, dass der Klient diese Eigenschaft oder den Persönlichkeitsanteil annimmt. Selbstannahme ist vielleicht der größte Reichtum, den wir erreichen können: Den Frieden mit sich selbst machen. Anerkennen und integrieren statt loswerden. Und vielleicht geschieht Veränderung dann ohne große Anstrengung. Oder man behält den „störenden“ Teil, aber mit einem anderen Selbstbewusstsein. Die Kunst liegt darin, sich zu akzeptieren wie man ist und gleichzeitig Veränderung zuzulassen.

In der Gestalttherapie geht es auch um Selbstachtung und darum zu lernen, sich selbst zu vertrauen, sich auf seine Intuition zu verlassen und sich in seinen Bedürfnissen zu erkennen.
Gestalttherapie versteht sich ebenso als praktische Lebensphilosophie. Auch hierin unterscheidet sie sich von anderen Therapiekonzepten. Sie bietet einen Weg, mit mehr Intensität und Sinnhaftigkeit sein Leben bewusst zu gestalten.
Außerdem bietet Gestalttherapie die Möglichkeit, sich auf das Abenteuer, sich selbst neu kennenlernen und sich selbst neu zu entdecken, einzulassen.

Wie arbeitet die Gestalttherapie?

Text © 2011 Jürgen Heinrich